Vorwort

 

Teil 1

 

Mit knapp 26 Jahren kam ich übergangslos in eine Welt, auf deren Realitäten ich in keiner Weise vorbereitet war.

Beim Zurückdenken wundert es mich, wie naiv und gedankenlos ich mein Leben damals lebte. Ich gehöre zu der Nachkriegsgeneration, die einerseits noch in althergebrachten Strukturen erzogen wurde ( Stelle niemals in Frage, was ein Erwachsener sagt, z.B.), sich andererseits aber auch keine Sorgen um die Zukunft machen musste. Wer damals eine halbwegs gute Schulbildung oder sonstige Ausbildung hatte, dem standen sichere Arbeitsplätze unbegrenzt offen.

Alles war geregelt, das Leben konnte in festen Bahnen verlaufen.

Das kritische Hinterfragen hatte zwar schon begonnen, aber im Jahre 1968 war ich – obwohl noch Studentin – schon verheiratet und hatte ein Kind, eine „echte 68erin“, wie meine älteste Tochter heute noch stolz von sich sagt. Ich war vollauf damit beschäftigt, Ehe, Mutterschaft und Studium unter einen Hut zu bringen. Gedanken an ein Ausbrechen aus diesem Leben kamen mir gar nicht.

 

Das war bei meinem damaligen Mann anders. Er hatte Erfahrungen damit, neue Wege zu gehen. Nun war er verbeamteter Lehrer, aber das reichte seinem unruhigen Geist nicht. Das sollte schon die ganze berufliche Entwicklung gewesen sein? Mit 27 Jahren schon das genaue Datum der Pensionierung zu kennen, nein, das konnte es nicht sein.

Er hatte dann Kontakt zu einem Kollegen, der schon einige Jahre in Argentinien Lehrer an einer Deutschen Schule gewesen war und die Absicht hatte, wieder nach Südamerika zu gehen. Wir freundeten uns an. Im Jahre 1971 gingen diese Bekannten dann tatsächlich nach Chile. Wir standen in regem brieflichen Kontakt.

Chile – ja, das war mir gar nicht so fremd. Meine Patentante, die Schwester meiner Mutter, hatte einen Mann geheiratet, der in Chile als Sohn eines Deutschen und einer Engländerin ( die die wunderbaren Vornamen „Violet Roses“ trug) geboren war und seine ersten 20 Lebensjahre in Antofagasta und Valparaíso verbracht hatte. Ich wusste zwar nichts Genaues über das Land, aber es gehörte gewissermaßen zur Familien-Agenda, besaß einen vertrauten Klang. Natürlich war ich über die damals aktuellen politischen Ereignisse unterrichtet: Salvador Allende war als erster sozialistischer Präsident des Landes rechtmäßig gewählt worden. Das bedeutete einen gewaltigen Aufbruch des Landes in eine allerdings ungewisse Zukunft. Doch was wussten wir im Deutschland des Wirtschaftswunders schon über südamerikanische sozialistische Modelle?

Und vor allen Dingen scherte es uns wenig. Unsere Freunde wollten uns an die kleine Deutsche Schule im Süden des Landes nachholen, schrieben von den schier unglaublich vielfältigen Freizeitaktivitäten in einer unberührten Natur. Wir waren begeistert.

(. . . weniger)