Ein Lächeln für eine Kamera

 

Es war einmal vor langer Zeit ein Mädchen, das seine erste Kamera geschenkt bekam. Oh, wie war es so froh! Nun konnte es fotografieren, soviel es wollte!

Äh, nicht ganz, sagte die gute Fee. Den Apparat habe ich dir geschenkt – merke dir den Namen gut: Agfa Optima - aber die dazu benötigten Filme nicht. Und die Kosten für die Entwicklung und die fertigen Bilder schon mal überhaupt nicht.

Da wurde das Mädchen traurig, aber nicht so sehr, weil es merkte, dass auch die anderen kaum fotografierten. Zu teuer. So benutzte sie ihre kostbare Kamera nur zu besonderen Anlässen: Klassenfahrt, Familienfeiern usw. Ganz heimlich knipste sie aber auch mit Raureif übergossene Bäume oder im Gegenlicht, weil sie ahnte, dass es so etwas wie Graphik gab. In Schwarz-Weiß machte sich das auch sehr gut, natürlich, etwas anderes gab es ja auch nicht. Farbfotografie?? Das war so weit weg wie Farbfernsehen.

Das ist aber schön! hieß es. Es bedeutete aber lange noch nicht, dass sie nun häufiger fotografierte. Immer noch zu teuer.

 

Das Mädchen wurde größer und dann groß und hatte andere Dinge im Kopf als Kameras. Die Zeit eilte vorbei und wir finden sie nun nicht mehr allein. Da ist jetzt ein Mann. Der hat eine prima Fotoausrüstung, die ständig erweitert wird, und unser Mädchen kommt wieder zur Fotografie. Allerdings in einer passiven Rolle – es ist bestimmt viel zu schwierig für sie, die komplizierten Vorgänge zu begreifen, die gute Fotografie erfordern. Der Herr des Hauses ist ein guter Fotograf, so gut ist sie bestimmt nicht, und deshalb reicht es vollkommen, die nötigen Utensilien anzureichen: den externen Belichtungsmesser z.B. oder die verschiedenen Filter, das Tele- oder Weitwinkelobjektiv, das Stativ, das Kabel für den Selbstauslöser…

 

Die gute Fee legt die Stirn in Falten. Das läuft nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte. Da muss sich was ändern.

 

Das tat es dann auch.

Irgendwann verschwand dieser Mann aus ihrem Leben und mit ihm die vielen Diakästen, Negative und Schuhschachteln voller Fotos. Ihr bleiben ein paar Fotoalben.

Nun hat sie wieder eigene Kameras. Erst eine Edixa, dann eine Yashica. Das macht Spaß. Nur fliegen Sandkörner am Strand in die gute Kamera. Da ist der Spaß wieder vorbei. Und auch die erste Digitalkamera erweist sich nicht als optimal: ziemlich klobig, und vor allen Dingen muss man eine schreckliche Bedienungsanleitung lesen u n d verstehen u n d anwenden…

Nein, nein, nein, das ist es auch nicht.

 

Auf einmal ist wieder ein fotografierender Mann in ihrem Leben. Zu ihrer großen Verblüffung sagt der: „Das kannst du auch.“ Und siehe da, es findet sich eine kleine, handliche Digitalkamera, eine Nikon Coolpix, und unser inzwischen schon sehr großes kleines Mädchen fängt mit Feuereifer an, Bilder zu machen. Zu Anfang ist es schwierig, Gedanken wie „Das ist viel zu teuer“ oder „Der Film ist bestimmt gleich zu Ende“ oder, noch schlimmer „Das kannst du doch gar nicht“ aus dem Hirn zu verscheuchen.

Auf ihren vielen Reisen wird sie ständig von ihrer Kamera begleitet. Plötzlich sagen andere Menschen: „Oh, das ist aber ein schönes Bild“

Das findet sie auch, aber es könnte noch schöner sein.

 

Und jetzt holt sie tief Luft und wird ganz mutig. Sie kauft sich eine neue Kamera, eine Sony Cybershot. Die kann so unglaublich viel! Zuerst wird ihr fast schwindlig, als sie merkt, wie viele Funktionen sie hat. Die ersten schüchternen Fotos zeigen: Oh, sie sind von viel besserer Qualität als die vorherigen! Jetzt wird alles durch- und ausprobiert.

Da! Das gibt es doch nicht… Wenn du einen kleinen Extra-Knopf drückst, dann betätigt sich der Auslöser von selbst, wenn er ein Lächeln erkennt?? Er tut es.

Ein ungläubiges und freudiges Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus.

 

Auf dem Gesicht der guten Fee auch.

Geschafft.