Wo man den Cidre aus Tassen trinkt

oder: Crème de Caramel de Beurre Salé

 

Warum ich in die Bretagne gefahren bin?

Ganz einfach: ich war noch nie dagewesen.

Mein Lebensgefährte hatte die Reiseroute zusammengestellt, schließlich kennt er sich da aus. Von der Côte Granit Rose hatte er mir vorgeschwärmt, von der so unterschiedlichen bretonischen Küste, von den Kalvarienbergen, vom Cap Fréhel... Ich war also auf ein ausgiebiges Landschafts-Besichtigungsprogramm eingestellt, was ich auch bekam – und darüber hinaus noch viele Dinge mehr.

Inzwischen habe ich alles gesehen und bin schwer entzückt von der Bretagne.

Wundervoll in seinem dekadent-abbröckelnden Charme das Grand Hotel in Perros-Guirec, der Blick aufs Meer einzigartig, und groß die Überraschung, dass aus dem Wasserhahn im Bad tatsächlich warmes und kaltes Wasser kam.

Die schöne Zeit wird mir unvergesslich bleiben – auch wenn auf der Bootsfahrt zu den Sept îles bei aufgefrischtem Wind die hinter mir sitzende Britin sich laut und ausdauernd die Seele aus dem Leib...und auch noch einige Kinder vor mir... Da ging es mir dann selber nicht so richtig gut. Richtig stinkig wurde ich, als sich die Leute, die oben keinen Sitzplatz mehr gefunden hatten, zwischen die Reihen an die Reling drängelten und uns Sitzenden die Sicht nahmen.

Nun ja, das war dann am Abend alles vergessen, als dann das anstand, worauf ich mich beim Reisen immer besonders freue: Essen. Und Trinken natürlich.

 

Cidre, Galettes und Beurre Salé

 

Dabei habe ich eine Menge dazugelernt. Natürlich kannte ich Cidre, wusste aber nicht, dass man ihn hier aus der Tasse trinkt! Dazu gab es dann einen der fantasievoll gefüllten Galettes, den Pfannkuchen aus Buchweizen. Was heißt hier Pfannkuchen – die meinten es ernst! Ein ganzes Restaurant lebte davon. Da ich nicht nach Frankreich gefahren war, um dort abzunehmen, verdrängte ich problemlos jeden Gedanke an die darin befindlichen Kalorien und deren Folgen, allerdings nicht immer.

Als uns dann auch noch eine himmlische Schokolade, gefüllt mit „caramel au beurre salé“ in die Hände fiel, war ich irgendwie froh, dass wir diesen Ort mit dem schönen, alten Hotel nach drei Tagen wieder verließen. Das lieblose und in der Vielfalt zurückhaltende Frühstücksbuffet, das hoffnungslos überteuert war, half uns, den Abschiedsschmerz erträglich zu gestalten.

 

 

 

 

Melone, Muscheln, Austern und Beurre Salé

 

Auf nach Saint-Cast le Guildo!

Das viele Laufen am Strand, das Wandern auf der Landzunge von Cap Fréhel, alles das würde die angefutterten kleinen Leibringe schon wieder verschwinden lassen. Der weitgeschwungene Strand misst etwa zweieinhalb Kilometer. Wenn man den einmal hin- und wieder zurückgelaufen ist, dann ist man natürlich hungrig.

Ein „Super U“, sprich ein gut sortierter Supermarkt in der Nähe, bot uns alles, was wir zur Essenszubereitung in der Küche unserer Ferienwohnung brauchten. Und noch mehr. Überhaupt – wenn man als Souvenir schon Cidre-Tassen erstanden hat, dann will man sie schließlich auch vor Ort ihrer Bestimmung zuführen..

Nein, diese göttliche Schokolade von Perros-Guirec war vom Speiseplan gestrichen. Es fand sich allerdings müheloser Ersatz: ein Brotaufstrich fürs Frühstück: „Crème de caramel au beurre salé“. Aaah...

So zogen wir gen Ferienwohnung, beladen mit den köstlichen Erzeugnissen der Region, auch wenn wir bei den Melonen eher die „Charentais“ bevorzugten.

Nur noch schnell am Wochenmarkt vorbei. Da es schon später Vormittag war, waren die Händler großzügig. Ein halbes Kilo grüne Bohnen? Ja, das machte soundsoviel. Wir bekamen aber für den Preis mehr als ein ganzes Kilo. Ein Bund Radieschen? Sicher, gerne doch. Man packte noch gleich fünf Bund dazu... Die hielten sich prächtig im Kühlschrank.

Zu essen gab es also genug; manchmal auch oft auf recht unkonventionelle Weise.

Mein ausgesprochen frankreicherfahrener Lebensgefährte führte vorsorglich ein widerstandsfähiges Messer mit sich. An den Felsen seitlich der Bucht fanden sich Unmengen von Miesmuscheln und – sieh an – auch die eine oder andere Auster. In der Normandie hätte man schon längst alle diese Felsen geplündert. Da waren mir die Franzosen nämlich als Leute aufgefallen, die erst bei Ebbe an den Strand gingen, um Muscheln zu suchen.

 

 

 

Cidre, Calvados und Beurre Salé

 

Wir haben also fürstlich gespeist und getrunken. Die Verführungen dazu warfen sich einem geradezu in den Weg. Du fährst zu einem schönen Ausflugsziel, und da steht praktisch mitten im Weg eine ferme, die selbst hergestellten Cidre, Pommeau und Calvados anbietet. Wir hatten dem nichts entgegenzusetzen.

Mit Bedauern nahm ich Abschied von diesem Ferienort mit seinem traumhaft schönen Strand und dem ebensolchen Ausblick darauf. Es ging weiter an die Loire.

Wie konnte ich ahnen, dass unser dortiges Feriendomizil ein ehemaliger Bauernhof sein würde, auf dem es jetzt nur noch Hühner und einen Gemüsegarten gab? Und dass unsere Vermieterin uns 20 frische Eier in die Hand drückte, grüne Bohnen und Kräuter jeglicher Provenienz pflückte, uns ihre Möhren und Kartoffeln anempfahl und uns beschwor, sich der Vielzahl von reifen Pfirsichen anzunehmen...?

 

Ob wir vielleicht zugenommen haben auf dieser Reise? Gut, das lässt sich nicht ganz leugnen. Allerdings waren wir ständig zu Fuß unterwegs, sodass die aus Frankreich exportierten Pfunde sich in Grenzen hielten.

Wenn wir nur nicht etliche Flaschen von dem guten Cidre, dem Calvados, dem Wein und vor allen Dingen von der überaus guten Crème de caramel au beurre salé mitgenommen hätten...