Kirche in San Pedro de Atacama
Kirche in San Pedro de Atacama

Oase im Frühling – San Pedro de Atacama

 

In einem der vielen Reiseberichte im Web steht : „Der Ort ist eine kleine Oase und gibt selbst nicht viel her…“ Nun, das liegt im Auge des Betrachters, und wenn man, wie ich , aus Gesundheitsgründen die Ausflüge zu den Geysiren des Tatio auf ca. 4.500m Höhe oder den langen Aufstieg zum „Valle de la Luna“ nicht mitmachen kann, der findet in San Pedro eine Menge zu sehen.

San Pedro ist eine Oase, die zuerst von den Atacameños, den Ureinwohnern, besiedelt worden ist und später sowohl von den Inka als auch den spanischen Eroberern genutzt wurde.

Heute lebt sie vom Tourismus. Es soll angeblich 42 Reiseagenturen in diesem Ort mit noch nicht einmal 5.000 Einwohnern geben, wobei man sich unter „Reiseagentur“ ein einziges kleines Zimmer vorstellen muss. Und die Reisen beschränken sich auf die Ausflüge in die Umgebung, bzw. die Busverbindung nach Argentinien. Ich hatte das Glück, in der Vorsaison da zu sein. Meine älteste Tochter war im Februar dort gewesen – Hochsaison. „Ein Gedränge, schlimmer als bei der Kieler Woche“ sagt sie, und sie muss es nun wirklich wissen.

Im gleißenden Licht erkunde ich den Ort. Es ist die reinste Höhensonne, die auf mich hernieder brennt, die Luft ist dünn und kennt keine Umweltverschmutzung. So kaufe ich mir schleunigst einen Hut gegen die Sonne. Er ist handgewebt und zeigt die typischen Wüstenfarben: leuchtendes Rot, Schwarz und Ocker. Ich gehe durch die wenigen Straßen und lasse mich von der scheinbaren Ruhe nicht täuschen: die Geschäfte sind geöffnet aber sie haben eben nur eine schmale Tür, Fenster Fehlanzeige – das dient zum Schutz gegen die gnadenlose Hitze im Sommer. Geht man dann hinein, sieht man bestimmt sofort den patio, den Innenhof, den häufig eine mit Wein oder sonstigen Kletterpflanzen bewachsene Pergola überspannt.

Es gibt sehr viele Geschäfte, in denen vorwiegend die handgewebten Erzeugnisse der Region verkauft werden und das zu Preisen, die einen wünschen lassen, unbegrenzte Kofferkapazität zu haben. Zum Kaufen gehört natürlich das Handeln, und da ist es unbedingt von Vorteil, die Landessprache zu sprechen und (meist schlechte) Scherze in derselben machen zu können. Wenn man den Ladenbesitzer zum Lachen gebracht hat, dann ist vieles möglich. Wer mich besuchen möchte, bitteschön, kann sich eine repräsentative Auswahl der landestypischen Erzeugnisse ansehen. Natürlich habe ich das meiste als Mitbringsel gekauft, so auch drei handgewebte Tischläufer. Und jetzt? Behalte ich sie alle selber.

Wie in allen Orten des Landes, auch den kleinsten, gibt es ein „Ciber Centro“, ein „Centro de llamados“, von dem aus man zu ungeheuer günstigen Tarifen nach Hause telefonieren kann. Fünf Minuten Deutschland haben mich etwa umgerechnet 60 Eurocent gekostet.

Die Kirche ist eine der ältesten des Landes, ihr Dach aus Kaktus-Stämmen erbaut und ausgesprochen sehr malerisch. Mit der Besichtigung des Museums sind die Sehenswürdigkeiten schnell abgehakt. Interessanter ist es da schon, sich mit den Leuten zu unterhalten. Offenbar gibt es eine Menge Aussteiger, wie z.B. die Bedienung in einem der vielen „Restaurants“ (in denen schon mal die Getränke ausgehen oder ein Gericht nicht serviert wird, weil man die Zutaten nicht hat – San Pedro ist sehr weit vom nächsten Ort –Calama- entfernt, und der Nachschub kommt eher sporadisch), zwei Holländer, die unter dicken bunten Wollmützen ihre Rasta-Locken verstecken. Ja, sagte der eine, er wäre aus Amsterdam, sei aber schon seit Jahren unterwegs und hier in San Pedro hängengeblieben. Oder der Kolumbianer – er bedient in einer kleinen Bar – der mich plötzlich in fließenden Deutsch anspricht. Er studiert seit Jahren in Gießen und hat sich jetzt eine einjährige Wüsten-Auszeit genommen. Wir diskutieren über die verschiedenen Möglichkeiten, sich einer fremden Kultur zu nähern und sind uns einig: am besten kopfüber hineinspringen.

Abends im „Hostal“, einem Mittelding zwischen Motel und Pension, finde ich mich vor dem Fernseher ein. Wenn ich jemals nach dem mir unwahrscheinlichsten Szenario überhaupt befragt worden wäre, dann hätte ich bestimmt ohne Zögern gesagt: „Mit meinem Ex-Ehemann in San Pedro das Fußball-Qualifikationsspiel für die WM in Südafrika zwischen Chile und Argentinien zu sehen, und Chile gewinnt.“

Genau in dieser Situation befand ich mich nun, und ich muss sagen, das Unwahrscheinlichste daran war der Sieg Chiles. Die Kommentare hättet ihr hören müssen! „Giganten für die Ewigkeit“ war nur eine der bescheidenen Formulierungen, und das schon nach der 1. Halbzeit! Tatsächlich hatte Chile noch nie im Fußball gegen Argentinien – den lieben Nachbarn und Erzfeind – gewonnen, deshalb war der bis ins Unendliche potenzierte Freudentaumel zu verstehen. Selbstredend wurde die Ausstrahlung des Spiels am nächsten Tag gleich wiederholt, und das Siegestor habe ich immer wieder bis zum Ende meines Aufenthaltes gesehen, wenn ich nur mal einen Blick auf den Bildschirm warf! Die Stimmung im Hostal Don Sebastián war eher mau – na, klar, die weiteren Zuschauer waren Argentinier…

Der Fahrer des Kleinbusses, der uns am nächsten Tag ins Mondtal, Valle de la Luna, trug erklärte stolz, dass er vor 30 Jahren chilenischer Nationalfußballspieler gewesen sei. Aber er hatte trotzdem keinen Einfluss auf das Wetter. Einmal in einer Million von Jahren (oder so ähnlich) ist der Himmel über San Pedro bewölkt. Diesen Tag hatten wir erwischt. Das Spektakuläre am Mondtal ist das Farbenspiel beim Sonnenuntergang… Höhö, da war es also gar nicht so schlimm, dass ich den Aufstieg zum Rand dieses Tales nicht machen konnte.

Nein, mir waren eher die kleinen Freuden gegönnt: die unglaubliche Sauberkeit der Straßen, zum Beispiel. Das trifft übrigens auch auf den Rest des Landes zu, ziemlich im Gegensatz zu früher.

Kurios war das Frühstück: Es war eine seltsame Mischung aus der landesüblichen Kargheit dieser Mahlzeit (krachtrockenes Weißbrot, zugeteilt) und andeutungsweise internationalen Standards (Müsli zur Selbstbedienung) und einer eigenen Hausvariante – am Abend vorher musste man angeben, was man zum Frühstück als Getränk haben wollte. In meinem Fall natürlich Kaffee. Am Morgen lag an meinem Platz (man konnte sich nicht irgendwo hinsetzen) so ein Röllchen, wie man sie hier an Autobahnraststätten bekommt, gefüllt mit Nescafé. Übrigens die chilenische Variante, die viel besser schmeckt als die deutsche Mischung. Das war mir natürlich viel zu wenig, und so steckte ich den Kopf in die Küche und orderte mehr (auch Butter und Marmelade…). Das war dann überhaupt kein Problem, und die eigentliche Verordnung über den Haufen geworfen. Es ist diese Art der chilenischen Logik, die ich so sehr liebe.

 

Ansonsten klappte einfach alles: die Buchungen, der kostenlose Internet-Zugang ( zwei Computer standen einem ständig zur Verfügung), der Service – bloß die Heizung in meinem Zimmer nicht, was man mir gleich zu Beginn unter großen Entschuldigungen erzählte.

Heizung?? Na, ja, tagsüber waren es erst ca. 25 Grad, die Einheimischen trugen dicke Pullover, es war ja noch kein Sommer…