Bei der Arbeit
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Nähmaschinen-Cowboys und reiche Indios – Märkte in Ecuador

 

 

Auf dieser Reise hatten wir schon etliche Indio-Wochenmärkte in Peru besucht, wo wir übrigens festgestellt hatten, dass die Indios der Hochkordillere kein Spanisch sprachen, sondern Quechua, ihre ursprüngliche Eingeborenensprache.
Das machte insofern nichts aus, weil die Dollar-Sprache eine universelle ist. Mich interessierten am meisten die selbst gewebten Stoffe - auch viele alte, gefärbt mit Farben, die aus Pflanzen gewonnen wurden.
Zu diesen Märkten fanden sich viele Touristen ein. Besonders auffällig war ein Camping-Bus mit Schweizer Kennzeichen. Ich zählte 12 dicke Vorhangschlösser, hübsch um den Bus herum verteilt. "Habt ihr so große Angst davor, dass euch was geklaut wird?" Oh - es w a r ihnen bereits alles geklaut worden... und die Schlösser sicherten einen jetzt leeren Bus...
Merkwürdig - uns sind in all den Jahren insgesamt 2 Paar Skier abhanden gekommen, und das auch nur durch eigene Dämlichkeit: wie kann man in Argentinien in einem Skigebiet die Ski über Nacht auf dem Auto lassen...

Auch in Ecuador gab es Indio-Märkte, aber größere und buntere als aus anderen Ländern gewohnt.
Ein solcher Markt fand auf der plaza vor der Kirche statt. Die einzelnen Bereiche waren klar aufgeteilt: hier wurden Geräte aus Metall verkauft, dort Stoffe, dahinten aus Leder gefertigte Gegenstände.
Da gab es auch Farben zu erstehen. Eine India hatte viele Blechdosen vor sich auf ihrem bescheidenen Verkaufstisch stehen, in denen sich Farbpulver befanden. Die meisten von ihnen waren sicherlich schon synthetisch hergestellt worden, aber sie wurden mit eíner Waage gewogen, wie sie hierzulande nur noch Justitia auf Abbildungen hält. Die India hielt sie in der Hand.
Ein großer Teil des Marktes war den leiblichen Genüssen gewidmet. In riesigen, von außen rußgeschwärzten Kesseln brodelten Suppen und Ragouts. Es gab Breie undefinierbarer Herkunft und Puddings. Bänke und Tische waren vorhanden, Essgeschirr musste selber mitgebracht werden. Diese Ess-Stände waren umlagert. Die Indios ließen sich das Essen ihrer Wahl in Blechschüssel oder -näpfe füllen, wenn sie denn zu den Wohlhabenderen gehörten. Die Ärmeren kamen mit dicken, großen Blättern, die entfernt an Rhabarberblätter erinnerten. Wer auch die nicht hatte, formte einen Teil seines ponchos zu einer Art Tasche und ließ sich das Essen dort hinein füllen. Ein Kind hatte noch nicht einmal einen poncho. Aber der Pudding besaß große Anziehungskraft...also formte es seine Hände zu einem Schälchen und nahm den Pudding auf diese Art in Empfang. Ich hatte keine Ahnung, was da in den Töpfen kochte - wollte es auch nicht wirklich wissen - aber es roch gut, sah appetitlich aus und hatte sicherlich schon Stunden gekocht. Das konnte kein Bakterium überleben. Es schmeckte mir dann auch gut. Ich konnte nicht widerstehen.
Die größte Attraktion dieses Marktes befand sich aber direkt vor den breiten Stufen, die zur Kirche hoch führten. Dort hockten sechs Indios, so cool und lässig, wie man das früher nur von Zigaretten-Werbung kannte, die Zigarette im Mundwinkel - hinter Nähmaschinen. Die guten alten Singer - Tret - Nähmaschinen. Kunden gab es genug: zerrissene ponchos wurden angereicht, die Maschine angekurbelt,die Männer beugten sich übers Gerät, traten in die Pedale, legten mächtig los, und innerhalb kürzester Zeit war geflickt, was zu flicken war. Die Positionierung der Männer direkt vor der Kirche machte klar: das waren angesehene und reiche Leute!

Der bekannteste Markt Ecuadors befindet sich in Otavalo. Solche Indios hatte ich noch nie gesehen. Sie schienen sehr wohlhabend zu sein und waren vor allen Dingen eines: sauber.
Die Männer trugen dunkelblaue ponchos und weiße, dreiviertellange Hosen. Die Frauen hatten eine wunderschöne Tracht: lange, dunkelblaue Röcke, reich bestickte weiße Blusen und eine Unmenge von Ketten.

Diese Indianer von Otavalo strahlten ein großes Selbstbewusstsein aus und ich glaubte sofort ,dass sie einen umfangreichen Handel bis in die USA hinein trieben. Das Angebot auf diesem Markt war riesig, er war aber auch eindeutig auf Touristen ausgerichtet, die in großer Zahl vorhanden waren. Die Indios waren für mich hier die Attraktion, nicht der Markt - zu kommerziell, zu unpersönlich, zu sehr an die Welt erinnernd, der wir für ein paar Jahre den Rücken gekehrt hatten
Otavalo war zwar der Wende-, aber nicht der Höhepunkt unserer Reise. Es reizte, noch ein bisschen Richtung Kolumbien weiterzufahren, frei nach dem Motto von Wilhelm Busch "Schön ist es auch anderswo, und hier bin ich sowieso!", aber die Vernunft siegte. Wir waren gute 7 000 km von unserem Zuhause in Chile entfernt, die wollten schließlich noch zurückgelegt werden - und es standen noch einige Punkte auf unserem Reiseprogramm.
Wir wandten uns Richtung Süden. Und da war er plötzlich: wir erlebten einen unerwarteten Höhepunkt dieser Reise. Der wolkenverhangene Himmel riss auf, und da lag er in strahlendem Sonnenschein vor uns, der Berg, den schon Alexander von Humboldt beschrieben hatte: der Chimborazo.

Untrennbar mit Alexander von Humboldts Namen verknüpft - der Chimborazo
Untrennbar mit Alexander von Humboldts Namen verknüpft - der Chimborazo