Cama Premium - Luxusbus für eine lange Fahrt
Cama Premium - Luxusbus für eine lange Fahrt

Bustour mit TurBus

 

Schöne Überschrift – wobei der Begriff „Bustour“ die Untertreibung des Millenniums und „TurBus“ kein Rechtschreibfehler ist.

Es handelt sich bei Letzterem um den Namen des Busunternehmens, mit dem ich Erstere unternahm. Im Spanischen werden alle fremdsprachlichen Begriffe gnadenlos der eigenen Aussprache angeglichen, deshalb schreibt sich eine nicht unbekannte Sportart schlicht „fútbol“.

 

Ich hätte natürlich auch fliegen können. Bis nach San Pedro de Atacama sind es von Santiago de Chile knapp 1.800 km und der Bus brauchte schon 25 Stunden, um dorthin zu gelangen. Aber mir ging es darum, die Landschaft zu sehen, den Übergang der Vorwüste in die totale Wüste, die Fahrt am Meer – Hunderte von Kilometern lang- die Oasen, die Städte; all die Orte, an denen ich vor 30 Jahren schon einmal gewesen war. Eine Bahnlinie gibt es nicht, die lohnt sich nicht für die vergleichsweise geringe Anzahl von Menschen, die im Norden wohnen.

 

Also der Bus. Aber was für einer! Das Unternehmen besitzt höchst unterschiedliche Modelle davon, so z.B. den „clásico“ für kurze Strecken (ein ganz gewöhnlicher Bus), dann den „semi-cama“, in dem man viel größere Bewegungsfreiheit hat und sich die Sitzlehne weit zurückklappen lässt. Wir hatten den „premium“, ein Doppeldecker mit nur 25 Sitz-, bzw. Schlafplätzen. Die hatten fast schon Bett-Qualität, Kopfkissen und Schlafdecken wurden auch gereicht. Ein Abendessen und Frühstück gab es ebenfalls, wobei man allerdings nichts Großartiges darunter verstehen sollte. Die Fahrt in diesem Luxusbus kostete umgerechnet etwa 60 Euro.

Es ging los, und das war die erste Überraschung, es ging pünktlich los. Das war neu! Wir verließen den großen Bus-Terminal, der auch Terminal für andere Unternehmen wie PullmanBus war und auch für die „Línea Azul“, die „blaue Linie“. Gemäß chilenischer Logik waren die Fahrzeuge natürlich nicht blau, sondern grün oder gelb – ach, ich liebe dieses Land.

Die Fahrt war angenehm, führte sie doch über eine Autobahn anstatt der früher häufig etwas rumpeligen Panamericana. Ja, die Dinge haben sich geändert. Sogar die Hunde, die an den Terminals der Städte, an denen wir hielten, herumlungerten, sahen wohlgenährt aus. Am Abend fuhren wir in Vallenar ein, und ich dachte daran, ob der Chevrolet aus dem Jahre 1916 wohl von den Erben des alten Arztes gewinnbringend verscherbelt worden ist – ich habe diese Episode in einer meiner Chile-Geschichten beschrieben.

Im Bus liefen natürlich ununterbrochen die Fernseher. Allerdings war die Auswahl der Videos nicht besonders groß. Bitte kommt mir nicht mehr mit dem Film „P.S. I love you“ (habe ich dreimal gesehen) oder Fernsehserien wie die „Nanny“ oder „Versteckte Kamera“ auf Englisch… Aber irgendwann wurde gnädigerweise das Programm beendet, damit man ein bisschen Schlaf bekam.

Ich wachte auf; Licht schien durch die zugezogenen Gardinen. Ich blinzelte etwas verschlafen hinaus und war sofort hellwach: Das kannte ich doch genau…? Antofagasta, die größte Stadt im Norden. Auch hier hatte der Fortschritt Station gemacht – an einer Holzhütte ( ihr hättet bestimmt an einen Hühnerstall gedacht) stand geschrieben: „Ciber Centro, Scáner, Fax…“ Später habe ich dann gelernt, dass all die Errungenschaften modernster Technologie dort tatsächlich funktionieren – äh, meistens jedenfalls.

Nun wurde gefrühstückt – Fruchtsaft, Fruchtsalat und ein eingeschweißtes Brownie – und bis San Pedro blieben nur noch etwa 4 Stunden Fahrt. Es wären nur noch 4 Stunden gewesen, wenn nicht der Motor unseres Superbusses kaputt gegangen wäre. Was vor dreißig Jahren die ultimative Katastrophe bedeutet hätte, wurde nun souverän gemanagt. Mit dem Handy wurde ein Ersatzbus geordert, und so mussten wir etwa eine Stunde warten, bis ein zur Verfügung stehendes Vehikel eintraf, das uns zunächst bis Calama brachte. Dort stiegen wir dann nach relativ kurzer Wartezeit wieder in einen TurBus-Komfort-Bus um.

Zwei junge Engländer, die mitbekommen hatten, dass ich Spanisch sprach, fragten mich zögernd, ob sie eventuell Schadenersatz für die Verspätung und Unannehmlichkeiten bekämen…? Ein Blick in mein Gesicht ließ sie leicht zurückzucken und ein englisches „Hätte ja sein können“ murmeln.

Es war eine wirklich angenehme Fahrt, der Meinung war auch einer meiner Reisebegleiter (wir waren zu viert unterwegs), der nämlich beim Verlassen des defekten Busses eine Mappe mit wichtigen Unterlagen darin hatte liegenlassen. Noch bevor er sich richtig aufregen konnte, kam die beruhigende Nachricht: die Mappe ist gefunden und wird mit dem nächsten Bus geschickt. So war es dann auch und damit der endgültige Beweis geliefert, dass sich in diesem Land wirklich sehr viel geändert hat.

Hatte nun diese Effektivität dem Charme des Landes geschadet?

Das galt es noch herauszufinden.

 

Auf dem Terminal in Santiago de Chile. Und wie fast überall in Chile wird man von der schneebedeckten Kordillere im Hintergrund begleitet.
Auf dem Terminal in Santiago de Chile. Und wie fast überall in Chile wird man von der schneebedeckten Kordillere im Hintergrund begleitet.