Verloren - emsländische Variante

 

 

Viele Wörter im Deutschen können höchst unterschiedliche Dinge ausdrücken, je nachdem, in welchem Zusammenhang sie stehen oder mit welchen Zusätzen sie versehen sind.

Nehmen wir das Wort "verlieren". Man kann eine Sache verlieren, ein Spiel verlieren, sich in etwas verlieren, sich verloren fühlen, und man kann selbstverständlich auch den Verstand verlieren.

Letzteres könnte passieren, wenn man sich die Bedeutung des Wortes "verloren" im emsländischen Idiom vor Augen führt. Die hat nämlich mit den vorausgegangenen Deutungen nicht das Mindeste zu tun. Diese emsländische Variante, die keine sonstige sprachliche Entsprechung im Deutschen hat, kann man nur an Beispielen erklären.

Wenn meine Nachbarin mir von den unhaltbaren Zuständen in ihrer weit verzweigten Familie berichtet - der Schwager hat seinen Job geschmissen, seine Familie verlassen und sich mit einer viel älteren Frau zusammengetan, die schon mehrere Kinder von verschiedenen Männern hat - dann schüttelt sie nur noch den Kopf und sagt seufzend: "Verloren".

Mit der jeweiligen Thematik ändert sich die Intonation dieses Wortes. Es kann missbilligend, energisch, bedauernd oder gottergeben klingen, je nachdem, ob man über Klimakatastrophe, Benzinpreise, zuviel/zuwenig Regen im Monat oder über den Zustand der Regierungskoalition spricht - auf jeden Fall wird es von einem Kopfschütteln begleitet.

 

Ooh, natürlich kann man auch etwas verlieren im Emsland, die Geldbörse zum Beispiel. Das heißt dann aber ganz anders. "Die habe ich doch tatsächlich gestern verloren gebracht." Wie bitte? Verloren gebracht. Fragt mich bitte nicht, woher der Ausdruck kommt, man kann ihn noch nicht einmal aus dem Plattdeutschen ableiten. Man kann höchstens die ungeheure Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeit der deutschen Sprache ins Feld führen, aber eigentlich ist "verloren gebracht" völlig unmöglich.

Wenn die Geldbörse wieder gefunden wird, dann ist man natürlich bliede. Wie...? Na, bliede, gut zufrieden eben.

 

Verloren.