Umländerwiek rechts oder: Das Glück des Fremdsprachenlehrers            


Der moderne Fremdsprachenunterricht orientiert sich heutzutage an der realen Lebenssituation des Lernenden - ich habe seinerzeit nur blöde Geschichtchen über Leute, die nichts mit mir zu tun hatten, im Unterricht vorgesetzt bekommen.
Nein, nein, das ist heutzutage ganz anders.
Und ich, die ich zumeist erwachsenen Leuten eine Fremdsprache beibringe, habe enormes Glück, gerade in dieser schon öfter erwähnten emsländischen Kleinstadt zu leben.

Der Sprachschüler muss im Anfangsunterricht natürlich unter anderem das fremdsprachliche Alphabet und die Zahlen lernen. Da bieten sich die Namen der Teilnehmer an - das ist relativ langweilig, da etwa 50 Prozent der Herren mit Vornamen "Hermann Josef" heißen, und zwei von drei Leuten den Nachnamen "Nee" führen. Unergiebig.

Aber die Adressen... Und da treten dem hier ansässigen Dozenten Tränen des Glücks in die Augen: die Kursteilnehmer kommen mit großer Wahrscheinlichkeit aus Orten wie Westoverledingen, Spahnharrenstätte oder Ostrhauderfehn. Und verachtet mir Ortsnamen wie Aschendorfermoor oder Kathen-Frackel nicht! Bis man das fehlerfrei buchstabieren kann, das dauert und verlangt volle Konzentration.
Mein absoluter Favorit ist aber der schöne Ortsname "Völlenerkönigsfehn". Bis sich der unglückliche Kandidat, der von dort kommt, da durchgekämpft hat, kann sich der Dozent entspannt zurücklehnen und ein kleines Nickerchen machen.

Sollte nun ein Teilnehmer aus einem Ort mit relativ unspektakulärem Namen kommen, dann ist er noch lange nicht aus dem Schneider - er wohnt mit einiger Sicherheit in einer Straße, deren Name ähnlich hohe Hürden beim Buchstabieren aufweist. Was hätten wir denn da? Na, z.B. Umländerwiek rechts, oder auch Bethlehem links. Es mag auch der Tunxdorfer Torfweg sein, oder man wohnt Auf der Deverweide. Bei "1. Wiek rechts" ergibt sich dann auch noch das Problem der Ordnungszahlen. Das ist doch prima.

Was ist nun, wenn auch der Straßenname kurz ist und sich ohne Schwierigkeiten buchstabieren läßt? Na, dann bleiben noch die Hausnummern - wir sind natürlich schon längst bei den Zahlen angelangt, und ich schwöre euch, daß die Hausnummern hier locker dreistellig sind.

Sollte das alles noch übungstechnisch zuwenig hergeben, dann frage ich perfiderweise nach, wo er/ sie denn in dieser schönen Stadt wohnt? Oben- oder Untenende? (Wobei die Untenender was Besseres sind als die Obenender und sich gegenseitig im Prinzip nicht leiden können)

Irgendwann passiert es immer, dass ein erschöpfter Lernender - er hat soeben seine Adresse "Lüchtenburg rechts, Nr. 232 (Obenende)" mühsam buchstabiert - zurückschlagen möchte und mich nach m e i n e r Hausnummer fragt.

Und da grinse ich nur und sage: "Nr. 2".