Kunst meets Emsland

 

Die Frau steht im Eingang und prallt zurück. Sie wendet sich zu einer nachdrängenden Dame um und flüstert laut: „Hier ist Kunst. Nix für uns.“ Die Frauen verlassen fast panikartig das Gebäude. Nein, nein, sie hatten doch nur ein kleines Freilichtmuseum besuchen wollen und nicht geahnt, dass in dem größten der dazugehörigen Fehnhäuser eine Ausstellung stattfand.

Drei Keramiker(innen) hatten dort einfach hinreißend schöne Sachen ausgestellt – Objekte, aber auch Gebrauchsgegenstände – die man in meiner kleinen Stadt so nicht jeden Tag sieht. „Extravagant“ nannte eine Sonntagszeitung die Exponate. Also, ich finde sie einfach nur schön.

Eine der Künstlerinnen hatte sich gewünscht, all diese Gegenstände mal einem anderen Publikum als dem auf den einschlägigen Kunstmärkten anzutreffenden anzubieten. Wie heißt es doch noch? „Bedenke, was du dir wünschst. Es könnte in Erfüllung gehen.“ Hier ging es eindeutig in Erfüllung.

Die Einheimischen hielten sich zurück. Der Emsländer an sich ist recht kostenbewusst, und das hier roch nach Geldausgeben. Dabei kann man doch bei Ceka günstig Becher im Sonderangebot kaufen. Dafür kamen Busladungsweise die Touristen, vorzugsweise aus dem Ruhrgebiet. Die Reaktionen auf soviel völlig unerwartetes Schönes fielen unterschiedlich aus.

Hier verlegenes Gelächter, dort eine stammelnde Entschuldigung, dass man kein Geld dabei habe – als ob sie verpflichtet gewesen wären, etwas zu kaufen. Die Ecke, in der die Künstlerin saß, und in der es eine Menge von Dingen zu schauen gab, wurde streng gemieden. Ab und zu wurde sich über die Preise unterhalten, die meiner Meinung nach absolut angemessen waren, und die Ignoranz feierte Triumphe. „Na, da ist wohl das Komma verrutscht!“ Derjenige, der diese nicht sehr originelle Bemerkung von sich gab, schaute sich beifallheischend in seiner Runde um, einige Frauen brachen in nervöses Gelächter aus.

Andere sprangen begeistert herum und konnten nicht genug Adjektive finden, die die Qualität der Gegenstände rühmten. Die Keramikerin wandte sich mir müden Auges zu: „Solche Leute kaufen nie was. Viel Getöse um Nichts. Ich kann schon beim Reinkommen sehen, wer echtes Interesse hat.“ Ich glaubte ihr aufs Wort; fast 30 Jahre in der Erwachsenenbildung hatten mir die Fähigkeit verliehen, auch praktisch sofort zu sagen: Die und der wollen was lernen, der und die wollen sich nur wichtig tun etc.

Dann gab es noch diejenigen, die natürlich alles besser wussten und meinten, die Künstlerin über Techniken und Brennzeiten belehren zu müssen. Und dann diejenigen, die „Sie müssen unbedingt nach XYZ kommen, da findet auch immer so was statt, bloß, äh, ich glaube, nächstes Jahr nicht…“ sagen.

Es gibt so viele Schwätzer. Da empfindet man so unschuldige Kommentare wie „Ist das alles aus Moor?“ geradezu als erholsam. Ja, und dann gab es noch die Leute, die ein zweites Mal kamen und still und unaufgeregt dem zustrebten, was ihnen beim ersten Besuch aufgefallen war. Die kauften dann.

 

Ich versuchte, dem sich zeitweise einstellenden Frust dadurch zu begegnen, dass ich fast tagtäglich der Künstlerin die Kunst des Emslandes anbot: Ein Stück einer in Größe und Geschmack einmaligen Apfel-Streusel-Torte – mit Sahne natürlich.

Vielleicht wird es irgendwann gelingen, diese beiden diametral entgegensetzten Verständniswelten zueinander zu bringen.