Das Haus von Lause

Vor 21 Jahren spülten die Gezeiten des Lebens mich an die Gestade einer emsländischen Kleinstadt - es gibt übrigens n u r Kleinstädte im Emsland - , allerdings spülten sie meine drei Kinder gleich mit. So galt es nun, ein Dach über dem Kopf zu finden. Ich suchte eine Mietwohnung. Die gab es nicht. "Wie bitte??" fragte ich entgeistert den Immobilienmakler. Er klärte mich auf: in ebendieser Kleinstadt, die praktisch nur aus Einfamilienhäusern besteht (was mir auch schon aufgefallen war), ist es erklärtes Lebensziel, ein Haus sein eigen zu nennen, und Mietwohnungen gäbe es kaum. Außerdem sagte er etwas über Leute, die zur Miete wohnen, was mir leider entfallen ist, aber auf jeden Fall deutlich machte, dass Mieter eine Spezies Mensch sei, mit der man eigentlich nichts zu haben möchte.
Ob ich nicht ein Haus kaufen möchte? Ich? Haus? Kaufen? Mit dem Geld, das ich hatte, hätte ich im
hannoverschen Umland, aus dem ich kam, nicht mal einen halben Keller vorfinanzieren können. Ausgeschlossen - bis er mir dann die damals aktuellen Preise nannte. Du meine Güte! Natürlich langte mein Geld auch für die sensationell niedrigen Preise nicht annähernd, aber die Sache sah dann schon etwas anders aus.
Das Objekt der Begierde war dann schnell gefunden : nicht zu groß, nicht zu klein, nicht zu alt, nicht zu neu, ideale Entfernung zur Stadtmitte, und vor allen Dingen nicht zu teuer.
Das Haus war also da - jetzt brauchte ich nur eine mir geneigte Bank, die mir einen Riesenkredit bewilligen würde. Ich weiß bis heute nicht, woher ich den Mut nahm. Arbeit konnte ich vorweisen, aber eben keine feste Anstellung. Sonstige Sicherheiten, die ich hätte bieten können - Fehlanzeige.
Ich hätte mir keine Sorgen machen brauchen. Als ich dem zuständigen Bankmenschen mein Sprüchlein aufsagen wollte, fragte der mich zuerst nach der Adresse des Hauses. " Ach, Sie wollen das Haus von Lause kaufen? Das kenn ich - ist ein gutes Haus, das reicht uns als Sicherheit."
Fünf Minuten später stand ich blinzelnd auf der Straße und konnte es immer noch nicht fassen.
Nun war ich Hausbesitzerin. "Frau G., nett , Sie kennenzulernen, wo wohnen Sie denn wohl?" (Der Emsländer an sich ist extrem neugierig und fügt häufig ein völlig unmotiviertes "wohl" an die Sätze an). Ich erkläre. "Da und da, gegenüber der Kirche so und so". "Also S i e haben das Haus von Lause gekauft! Na, herzlichen Glückwunsch! Ist ein gutes Haus."
Vorstellung beim Arbeitgeber. "Haben Sie denn schon eine Unterkunft?" "Ja, sage ich, gar nicht weit, bei der Sparkassenfiliale links rein und dann gleich das erste Haus rechts..." "Sagen Sie bloß, Sie haben das Haus von Lause gekauft - hatte der sich als Alterssitz gebaut, hat er aber nicht lange nutzen können, der arme Kerl, und dann wurde es irgendwann v e r m i e t e t !"

Bei einer Party. "Ach, Sie sind neu hier? Wo wohnen Sie denn wohl?" "Ich habe das Haus von Lause gekauft..." "Ach d a s! Da haben Sie aber Glück gehabt!"

Nun wohne ich seit 21 Jahren im Haus von Lause, es hat mir wirklich Glück gebracht, und der Kredit ist auch (fast) zurückgezahlt.


Wenn mich jemand von euch besuchen möchte und hat meine Adresse vergessen - ihr wisst, wonach ihr fragen müsst.