Annoncen

 

 

Annoncen sagen viel über die Mentalität der Menschen eines Landes oder einer Region aus.

Mir haben es von jeher die Geburtstagsglückwünsche und Todesanzeigen angetan. Die sind von Land zu Land extrem unterschiedlich.

In England und Irland z. B. wird auch durchaus der Tod eines Familienmitgliedes angezeigt, allerdings in einer Manier, wie man hierzulande versuchen würde, z.B. ein Möbelstück zu verkaufen – als Klein-Annonce, wie ich sie in meinem emsländischen Hausblatt als „Mittwoch-Markt“ kenne. So wie ich hier privat eine Immobilie inseriere oder einen Welpen zu verkaufen habe, so wird in England mehr als lakonisch der Tod eines Menschen bekanntgegeben, kleinspaltig und –zeilig. Das geht in etwa so: “Mary, geliebte Mutter, betrauert von Deborah und Kerry; Beerdigung übermorgen, keine Blumen.“

 

Absolut fasziniert hat mich in Chile die Art und Weise, wie sich per Zeitung bedankt wurde, und zwar beim lieben Gott! In der größten chilenischen Tageszeitung, im „Mercurio“ stand seitenweise: „Danke, Gott, für den Wunsch, den du mir erfüllt hast /für die erfolgte Genesung von Marcela …etc“. Darunter stand dann – nein, nicht der Name desjenigen, dem etwas Gutes widerfahren war – nein, darunter stand die Nummer seines Personalausweises…

Man geht also nicht nur davon aus, dass Gott den „Mercurio“ abonniert , sondern auch Einblick in die Datenerfassung hat!

Nun ja, wen wundert es in einem Land, in dem bald jeden dritten Tag der Aufmacher auch in seriösen Tageszeitungen lautet: „Ufo in der Atacama gelandet!“

 

Das ist aber alles noch gar nichts gegen die Geburtstagsglückwünsche, die ich täglich in meinem Heimatblatt studieren kann.

Offensichtlich liebt der Emsländer an sich die Reimerei, nur, es muss an dieser Stelle mal ausgesprochen werden, er beherrscht sie nicht. Da wird extrem ungelenk gedichtet. Kleines Beispiel?

Kaum zu glauben, aber wahr,

unser Benedikt wird heute tatsächlich auch schon 40 Jahr!“

Wenn es sich bei diesem kleinen Beispiel um eine schmerzlich fehlerhafte Metrik handelt, dann ist das ja noch nicht schlimm. Aber, Leute, ich sage euch…

Neulich habe ich folgenden Vers gefunden – ich schwöre, dass ich ihn wortgetreu abschreibe; das Original liegt vor mir, erschienen am 29.07.08 in meinem regionalen Leib- und Magenblatt.

Hermann-Josef* ist unser Schweinestar,

er wird heut 30 Jahr.

Auf dem Hof verbringt er viele Stunden,

seine Irmgard* hat er schon früh gefunden.

Beim Handeln ist er sonst ganz schlau,

zum Bier holen schickt er seine Frau.

Vom Eber wurde er gebissen,

er hat für ewig bei ihm verschissen.

Diesmal wollen wir länger bleiben,

und lassen uns nicht wie die Schweine treiben!“

 

Tja, wer ist nicht überrascht, gerührt, und ein kleines bisschen stolz, wer zu seinem Ehrentage einen solchen Glückwunsch liest?

Nun muss ich aufhören, habe die Annoncen des heutigen Tages noch nicht gelesen…

 

 

* Name geändert