Der Lago Ranco
Der Lago Ranco

Wochenende – Von Angeln und Äxten

 

Das Wochenende war lang. Unsere Schule war eine Ganztags-Schule. Fast 50 Prozent der Schüler wohnten im Internat, weil die Eltern weit draußen im campo ihren fundo (Hof) hatten und ihre Kinder nicht jeden Tag zur Schule bringen konnten. So war ab Freitag Mittag Wochenende, und am Montag begann der Unterricht erst ab 9 Uhr. Sehr schön.
Was tun? Die Wahl fiel schwer. Da waren einerseits die Seen, die aufgereiht wie die Perlen auf der Schnur vor der Kordillere lagen. Sie tragen wunderschöne Namen wie Lago Ranco, Rupanco, Llanquihue, Riñihue, Maihue, sind riesengroß und hatten ein derartig klares und reines Wasser, dass man bedenkenlos Wasser zum Kaffeekochen daraus entnehmen konnte. Keine Industrieanlage weit und breit, nur die schneebedeckte Hochkordillere als ewigen Hintergrund. Unsere Lieblingsplätze waren die, wo ein kleiner Fluss in einen See mündete. Da gab es Fische, vorzugsweise Lachse und Forellen. Fische, die weniger als ein halbes Kilo wogen, wurden als zu klein wieder zurückgeworfen...

Oder doch lieber auf den Fluss, den Rio Bueno? Ihn mit einem Motorboot abfahren und dort Rast machen, wo es einem gefiel?

Der Pazifik war auch nicht weit - allerdings musste man dazu die Küstenkordillere durchqueren, und das war zu dem Zeitpunkt eigentlich nur mit einem Jeep möglich - unser VW Variant schaffte es aber auch. Wir fuhren aber immer im Konvoi, damit bei einer eventuellen Panne sofort Hilfe da war.
Am Ende diese "Weges" lag die Feriensiedlung der La Unioniner, d. h., sie hatten dort ihre Ferienhäuschen, dann gab es noch ein oder zwei Fischerkaten und ansonsten paradiesische Strände , an die der Saum der Küstenkordillere mit ihrer üppigen Flora grenzte - wo übrigens auch die copihues sich um die Bäume ranken.
Bei einem dieser Ausflüge bemerkte ich das Schießeisen, das einer unserer deutsch-chilenischen Freunde trug. Wozu das? "Na, wegen der Pumas, natürlich." Ach ja, schluck.
Es wurde geangelt, Muscheln gesucht und Seetang "gepflückt". Die festen Stängel schmecken gedünstet sehr gut und sind ja soo gesund!
Alles, was man für diese Ausflüge benötigte, musste mitgenommen werden, da es vor Ort eben nichts zu kaufen gab. Unsere Freunde nahmen dann auch gleich ihre Dienstmädchen, die empleadas, mit, und wenn wir hungrig zurückkehrten, empfing uns der Duft von frischgebackenem Brot. Natürlich gab es auch kein elektrisches Licht. Also Petroleum-Lampen, Kerzen, Rotwein und viele Geschichten und Lieder - Hueicolla ( so hieß dieses Fleckchen Erde) war und ist das Paradies auf Erden.

Im "Winter" zog es uns auch zur anderen Seite, in die Hochkordillere. Auf dem Berg Antillanca gab es tatsächlich einen Skilift und große Pisten, auf denen sich maximal 10 bis 20 Leute tummelten...
Ich erinnere mich an ein Wochenende, an dem wir uns überhaupt nicht entscheiden konnten, was wir unternehmen wollten. Da blieben wir einfach zu Hause.

Irgendwann beschlossen die drei deutschen Lehrer, dass sie einmal alleine -d.h., ohne Familien- auf Angeltour gehen wollten. Ja, und sie lehnten bestimmt das Angebot von uns Frauen, die dafür nötigen Sachen zusammenzupacken, ab. Wir Frauen sahen uns bedeutungsvoll an. Elsbeth hob leicht eine Augenbraue.
Da es ja eine Angeltour war, brauchten die Herren ja auch kaum etwas zum Essen mitzunehmen - sie würden sich ja von den Fischen ernähren, die sie fangen würden.
Wir Frauen sahen uns noch bedeutungsvoller an.
Sie akzeptierten immerhin ein großes Stück Käse. Dann zogen sie ab - mit üppigster Angelausrüstung, Zelt, Kochgeschirr und auch die Axt, die man braucht, um sich Feuerholz zu zerhacken, wurde nicht vergessen.

Zwei Tage später waren sie wieder da - etwas schmaler, wie mir schien, und noch mit Lachtränen in den Augen. Sie hatten leider nichts gefangen - wir Frauen vermieden es, uns bedeutungsvoll anzublicken - und mussten nun notgedrungen den Käse essen. Da gab es nur ein kleines Problem: sie hatten an alles gedacht, bloß nicht an ein Messer... Wie also Scheiben vom Käse abschneiden? Antwort: die Axt! Nur, sagten sie, jedes mal, wenn einer die Axt hob, um damit auf den Käse hernieder zufahren, hätten sie so schrecklich lachen müssen, dass der Arm mit dem Schneidegerät kraftlos herunter sank...

Danach haben sie das mit der Einpackerei uns Frauen überlassen - besonders dann, wenn es auf große Fahrt ging.