La bandera chilena - chilenische Flaggen gibt es immer und überall
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Sommer in Valparaíso

 

 

Der Sommer 1975 (sprich: Dezember) brachte den Abschied von Südchile.
Nach drei Jahren La Unión wurde unser Vertrag nicht verlängert, da Deutschland diese kleine Schule nur noch materiell, aber nicht mehr personell unterstützen wollte.
Mein Mann bewarb sich an die Deutsche Schule Valparaíso. Die war, bzw. ist, sehr groß, und bestand aus insgesamt drei Schulen; eine davon in Viña del Mar und eine weitere in Quilpué, etwas weiter landeinwärts.
Unser neues Zuhause war nun Viña del Mar, Schwesterstadt von Valparaíso (kurz "Valpo") genannt - 1000 km nördlich von La Unión, in etwa auf einer Linie mit Santiago de Chile, der Hauptstadt, liegend.
Viña war für die damaligen südamerikanischen Verhältnisse ein fast mondän zu nennender Badeort, der im Sommer besonders viel argentinische Touristen anzog.
Hier gab es Boutiquen und Feinkostläden und ein Schlachtergeschäft, wie es auch in Europa hätte bestehen können. Welch ein Unterschied zum Süden, wo in den Geschäften nur Grundnahrungsmittel zu haben waren. Beim Bäcker gab es Brot. Wollte man Kuchen, na, dann musste man den eben selber backen. Meine gedeckte Apfeltorte ist Legende...

Am Strand von Viña
Am Strand von Viña

Die erste Zeit verging mit dem Erkunden der Stadt und ihrer Umgebung. Hatte mein Mann im Süden vorzugsweise in den Seen geangelt, ging es hier mit der entsprechenden Ausrüstung ans Meer. Dort angelte er sich dann auch im wahrsten Sinne des Wortes eine Chilenin, die bitterbösen Blickes dem Wasser entstieg und sich den Angelhaken aus dem Haar fummelte...
Im Nachhinein denke ich, dass die hauptberuflichen Schutzengel, wenn sie auf ihrem himmlischen Dienstplan "Copihue und Familie" eingetragen sahen, bestimmt mit aller Macht versucht haben, sich davor zu drücken - zuviel Arbeit...

Da sich die Küstenkordillere fast übergangslos von der Küstenlinie bis zu einer Höhe von 2000m erhebt, lag auch "unser" Haus hoch oben am Hang.
Jeden Abend stand ich an der Brüstung unserer großen Terrasse und schaute auf die Lichter der Schwesterstädte hinunter. Eine kleine Drehung des Kopfes nach links - da war Valpo mit seinen vielen Hügeln und den uralten, vergitterten Aufzügen, die den großen Höhenunterschied der Straßen für die Fußgänger überbrücken halfen. Für einen lächerlichen Pfennigbetrag wurde man in eine Art Käfig eingeschlossen, der sich knarrend und quietschend und ächzend in Bewegung setzte und einen in die Höhe , bzw. Tiefe, transportierte. Die Schutzengel, glaube ich jedenfalls, brauchten kein Fahrgeld zu entrichten.
Dann der Hafen, in dem es in der Silvesternacht ein Feuerwerk gab und um Mitternacht alle dort liegenden Schiffe ihre Sirenen ertönen ließen. Es folgten die Badebuchten von Viña, feinster weißer Sandstrand, Kilometer um Kilometer. Dahinter lagen die Fischerdörfer, wo man Fisch direkt vom Kutter, der eben eingelaufen war, kaufen konnte. Ich erinnere mich an eine ca. 10 cm dicke Scheibe Schwertfisch, die 5 Kilo wog...
Der Pazifik erstreckte sich endlos.
Nun nur noch eine leichte Drehung des Kopfes nach rechts - da erhob sie sich in ihrer ganzen Majestät, la Cordillera de los Andes, mit ihrem höchsten Berg, dem Aconcagua, fast 7000m hoch. Der liegt leider schon auf argentinischem Gebiet, was aus chilenischer Sicht einfach nur gemein ist. Auch in größter Sommerhitze schneebedeckt erstreckte sich die Kette dieses riesigen Gebirgsmassivs vor meinem Auge. Dieses Panorama habe ich fest im Herzen gespeichert.

In die erste große Sommerhitze fiel das Weihnachtsfest - eine Angelegenheit, die immer mehr an Bedeutung für uns verlor. Hatte im ersten Jahr noch jemand einen Baum für uns aufgetrieben, der immerhin Nadeln (wenn auch nur büschelweise) hatte, so ließen wir ab dem zweiten Fest die Sache mit den Weihnachtskerzen sein: Bei weit über 30 Grad hingen die nämlich nach kurzer Zeit kopfüber...
Ab dann wurden nur noch Christbaumkugeln an die Gardinen geheftet - fertig war die Weihnachtsdeko.
In den Straßen gab es durchaus festliche Beleuchtung, nur erschloss sich mir der Sinn nicht so recht. Es war immerhin Sommer, und die Sonne ging entsprechend spät unter.
"Weihnachten" - das bedeutete für die Chilenen Party am Heiligabend; dann kam der eigentliche Weihnachtstag, an dem die Kinder morgens Bescherung hatten, Kirchgang, Festessen; tja, das war´s. Einen zweiten Weihnachtstag gab es nicht.

Die Kinder gingen mit Leontina an den Strand. Leonti war unsere "empleada", unser Dienstmädchen, eine absolut vertrauenswürdige und warmherzige Person. Sie wohnte mit ihrer Tochter bei uns im Haus - war aus dem Süden mit uns gekommen - und die Mädchen waren bei ihr bestens aufgehoben.

So konnten wir also sorglos für die Fahrt packen, die die längste unserer Reisen werden sollte - 16 000 km lang.